hier sind meine persönlichen Erfahrungen, die in der zeit von 1982 bis 1986 in baghdad zustande gekommen sind. - vielleicht erinnern sie sich - es herrschte krieg zwischen dem irak und iran!
- keine allzu komfortable situation: für die iraker sehr grausam von seitens der militärischen oberschicht und saddam hussein's familie im besonderen bedroht. - für uns expatriates, weil wir dem gewehrfeuer der auf den dächern hausenden irakischen soldaten ungeschützt preisgegeben waren - ich war im auftrag einer münchener baufirma dort - wir arbeiteten parallel auf drei baustellen:
1. freeway (schnellstraße mit brücken), 2. haifa-straße (wohnhochhäuser - gegenüber dem verteidig. ministerium), 3. meine baustelle - abi nawas development (145 villen, 4-stockig, mit solartechnik) - das gesamtvolumen betrug ca 1,2 milliarden dmark, mit bauherr amanat al-assima, der stadtverwaltung baghdad - unsere internationales team aus 19 nationen umfaßte bis zu 2.500 mann - so babylon ist zwar etwa 100 km entfernt, aber bei uns war es zuhause, im camp taji. - wir hausten in wohncontainern, total autark. - die stromgeneratoren hielten mit ihren perma-vibrationen die schlangen vom camp. - die iraker, auch die preussen unter den arabern genannt, lernte ich als kluge, gebildete und sehr stolze menschen kennen. - man traute ihnen ohne weiteres zu, daß sie bis zum weltkrieg 1 in der lage waren, weizen zu exportieren. - aber schauen sie mal auf einen atlas - nichts als wüste, außer den zwei berühmten flüssen euphrat und tigris. - alle unsere bauhilfsmittel wie sand, kies, asphalt, wasser zum testen, wurde von lokalen zulieferanten gekauft. - das ergab natürliche einen lebhaften täglichen besucherstrom dieser araber. - wer da nicht feilschen konnte, dazu sprachprobleme hatte, wurde schlichtweg übers ohr gehauen. - man muss auch bedenken, daß wir vertraglich die gesamte korrespondenz in englisch und simultan in arabisch abwickeln mußten. - die wenigen verfügbaren irakische bürokräfte bzw. übersetzer bemühten sich redlich um eine gewisse neutralität. - die wurde sehr erschwert durch die tatsache, daß sie monatlich einen bericht an den secret service/muhabarat abliefern mußten! - meine sprachkenntnisse ließen mich die fakten rasch erkennen, manche von uns (etwa 340) begriffen das nie. man mußte sein verhalten absolut anpassen! - durch den eingangs erwähnten intensiven lieferantenverkehr erwuchs mit der zeit ein vertrauensverhältnis heran, was dann noch später zu privaten einladungen führte. - man sollte immer daran denken, daß die araber lange vor uns schon gewiefte händler waren und das noch immer im blut haben. - ein prägnantes beispiel lieferte saddam hussein mit seinem poker mit dem us-präsidenten bush nr 41 vor dem einmarsch in kuweit. - wenn man mal innerhalb der jedes anwesen umgebenden mauern eingeladen wird, bedeutet dies ein ganz besondere ehre! - man kommt ja auch mit den streng-gehüteten weiblichen geschlecht in kontakt. - ich möchte hier klarstellen: der mann ist für die öffentlichkeit der 'boss', aber zuhause hat er recht wenig zusagen. - auch die arabische frau, so demütig und fast erniedrigt sie nach außen wirken mag, setzt sich spielend durch infolge eines natürlichen gespürs und talent. - hier kann ich erwähnen, daß ich bei solchen gelegenheiten auch familien erlebte, wo vier ehefrauen wirkten! - aber keiner dieser männer war aus meiner sicht zu beneiden, obwohl sie in guten bis sehr guten verhältnissen lebten. - ich wundere mich nicht, daß dieser 'vorteil' rapide im schwinden begriffen ist. - gegen 1984-85 hatte sich die kriegssituation zum vorteil vom iran entwickelt. - die saudis und golfstaaten rückten offensichtlich ungern weitere zahlungen heraus. - der krieg verschlang damal immerhin 1 milliarde us-dollar monatlich. - so mußte ich eines tages mitansehen, wie irakische soldaten ins haus stürmten, um gold, geld und schmuck etc. alles von wert zu konfiszieren! - natürlich jammerten die mütter und töchter lautstark um jedes stück, da ja gewisse erinnerungen damit verbunden waren! - abgesehen davon trägt die araberin aus uralter tradition hervor gehend ihre lebens- und altersvorsorge am körper. - der getragene schmuck ist also eine art lebensversicherung, weniger eine show. - eine araberin kann sich heute, gemäß der khoran-sure 65 (talak) auch aus eigenem antrieb scheiden lassen. - die muß gemäß der sharia drei monatsblutungen gehabt haben. - der mann ist dann verpflichtet, ihr den jetzigen lebensstandard zu erhalten und evtl. sogar das brautgeld (dauri) zurückerstatten. - im irak waren damals schon viele der jungen frauen ohne kopftuch, in jeans, unterwegs. - allerdings zollten die jungs oft wenig respekt gegenüber einer frau, wohl aus irak-männlichem stolz.
krieg: in diese zeit fällt ein weiteres unerträgliches ereignis. - ich war augenzeuge: saddam hussein ließ mehrere busladungen blutjunger iraner (8 - 12 jahre alte) durch baghdad chauffieren. - vielleicht 1.000 jungs? - sie wurden damals vom chomeini-regime dazu benutzt, als erste durch die minenfelder zu rennen - um der nachfolgenden iranischen soldaterie möglichst wenig todesopfer abzuverlangen. - chomeini weigerte sich beharrlich diese kinder, die überlebten, zu ihren familien zurückkehren zu lassen, da sie 'nicht für allah' gestorben waren! - saddam wollte sie bedingungslos heimschicken, eine seiner sehr wenigen guten vorhaben, aber chomeini.... - mentalität: araber allgemein verstehen nicht, daß man an jedem auftrag auch 'finanziell' beteiligt sein sollte - und dies ablehnt! - bakshish (art trinkgeld) ist ebenfalls eine uralte tradition und wird als selbstverständlich betrachtet, einziger verhandlungspunkt - die höhe der vergütung. - dies wurde leider manchem meiner kollegen zum fallstrick und heimflug. - so, es verursachte kopfschütteln, aber man gewann respekt - und bessere einkaufspreise. - natürlich konnte man im interesse einer guten zusammenarbeit nicht alles rundweg verneinen. - so genoß ich, nach überwindung einer gewissen scheu, daß das 'hand-zu-mund füttern' ein höchster achtungsbeweis darstellt. - dabei handelte es sich beispielsweise um die schmackhafte euphrat-flunder, neben einem holzfeuer gebacken, dann wird einem das butterweiche fleisch in den mund geschoben. - oder, da die bürocontainer inmitten der (später abzureißenden) lehmhäuser/altstadt standen, wurde täglich von meiner nachbarin das erstklassige fladenbrot am offenen feuer gebacken. - der teig wurde zuvor auf einem großen flachen stein ausgerollt - per hand. - allein der geruch, der dann zum bürofenster herein wehte, ließ mich mit der zeit auf 'meine portion' ungeduldig warten. - diese araberin (genannt haga gamalat), mutter von acht kindern war eine sehr freundliche, arme frau. - sie wurde unsere putzfee. - so erlebte ich auch hautnah, wie sie ihre 13-jährige tochter nawal verheiratete. - ich bin ganz sicher, das mädchen wurde dazu nicht gezwungen. tradition. - noch ein, vielleicht nur im kontext zu verstehender vorfall: was jungs tun, überall, fußball spielen auf der straße. diese war links und rechts mit unseren pick-ups vollgeparkt. - ein etwa sechsjähriger sprang zwischen den autos seinem ball nach - direkt ins fahrende auto eines unserer tunesischen vorarbeiters. - der junge war leider sofort tot - aber der fahrer als araber wäre evtl. auch hingerichtet worden. - daher suchten wir sofort die eltern auf. - diese waren dem deutschen polier gut bekannt. - wir boten sofort materielle hilfe an. - die familie hatte weitere kinder. - so sagte der vater ...sie seien arm und allah wollte den sohn schon jetzt ins paradies holen .... er hätte ja noch weitere söhne. - er wollte als entschädigung einen schafbock haben. - marktpreis 75 dinar = dm 600. wurde sofort zugesagt und eine spende nochmals in derselben höhe. - fall abgeschlossen, wie man so sagt. - aber es war ein tragischer vorfall der uns alle sehr berührte.
- um meinerseits mein wissen über den irakischen charakter abzuschließen, muß ich noch folgendes erwähnen: die baustellenlänge von 3.5 km, plus 145 häuser plus grozügige parkanlage, erforderte etwa 75 nachtwachmänner (haris). - es wurde doch viel gestohlen (und weiterverkauft - aus not?), deserteure suchten unterschlupf. - unsere original-verpackten produkte, vom duschvorhang, boden-wandfliese, alles verursachte lebhaftes interesse.
- zum glück hatte ich meinen kurdischen 'spürhund' mr esha zur seite, der jeden und alles kannte. so fanden wir gemeinsam, dinar in der tasche, vieles wieder im souk und kauften es zu spottpreisen zurück. die polizei zu holen wäre fruchtlos geblieben (bakshish). die lagerstellen der materialien waren exakt bekannt und so waren es auch die nachtwächter. dazu veranlaßte ich eine improvisierte gerichtsverhandlung in meinem büro, mit khoran-schwur und heftigen drohungen etc. es war unmöglich, die fast durchwegs älteren männer in irgendeiner weise zu bestrafen (mitleid?), aber ein gewisser erfolg stellte sich schon ein. das größte und ständige übel waren die fast täglichen verkehrsunfälle. - wir hatten ca 200 fahrzeuge, busse und kran mit 200 to inklusive. die lokale polizei fragte nie nach dem schuldigen - es waren immer die ausländer. - die gängige erklärung war - wärt ihr nicht hier, wäre auch der unfall nicht passiert. verblüffend simple.schlimm war, daß der jeweilige fahrer sofort ins gefängnis kam (meistens <<<phillipinos und osteuropäer). - es war wichtig herauszufinden wo sie waren, denn es gab weder essen noch trinken, kaum platz zum schlafen. eine zermurbende hetzjagd die fast täglich getan werden mußte. - es könnten noch dutzende vorfälle und vorgänge aller art aufgeführt werden, die ausführlich geschildert ein dickes buch ergeben würden. so nehmen sie meine ausführungen eben als kurzinformation oder spitze eines eisberge ::)
eingesandt von Treffpunkt-Leser Bruno Ritz, Bad Wimpfen
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